Der öffentliche Raum ist ein Ort steter Aushandlungsprozesse. Wenn es gelingt, seine Wahrnehmung auf überraschende Art immer wieder leicht zu verändern, so dass er uns aufs Neue berührt, bleibt er lebendiges Gemeingut:
«Schliesst man die Augen, so wähnt man sich in einer Motorenschlucht - Gebrause, widerhallend zwischen Fassaden. Ein Mann sitzt auf der Bank vor der Stillekirche, Eglise St-François, die Augen geschlossen. Er hat sich Brotstücke auf die Schuhe gelegt, Tauben umlagern ihn. Pardon, Monsieur, den jet d'eau, der hier bis Mitte Oktober in Betrieb war - haben Sie ihn gesehen? Trübe Augen hinter älteren Brillengläsern, ein Blick, der sich sofort aufhellt, oui, c'était un spectacle, sagt er - während er spricht, suchen seine Augen den Himmel ab, fiktiven Fontänen folgend, sie waren riesig, bestimmt zwanzig Meter hoch, ein Geschenk für mich, ich bin nicht mehr gut zu Fuss, wohne gleich um die Ecke, hier ist das Zentrum der Stadt, hier ist die Post, hier sind die beiden Banken, die Kirche mit der Orgel und den Gratiskonzerten, der alte Kiosk, Verkehr, Busse. Fussgänger aus allen Richtungen, hier kommt alles vorbei. L'eau et les feux synchronisés, Monsieur. das war Wasserballet, bei Rot Fontänen hoch, und Beine bewegten sich, Überraschungswasser, mitten auf der Strasse, Leute haben aufgelacht, dem Wasser gute Rufe hinterhergeschickt. Wenn man Leitungen mitten im Verkehr befreit, bricht das Irrationale aus, sagt er, Besitzverhältnisse ändern sich, der Platz gehört nicht mehr den Motoren, sondern Kindern, die sich die Köpfe waschen, und den Tauben, die Bäder nehmen, Zebrastreifen und alle Linien sind aufgehoben, jeder geht jetzt, wie er will, Fassaden der Häuser kurz herabgewaschen, herabgeküsst, sich spiegelnd in den Lachen, und danach flüchtige Spuren der Passanten, hinunter bis zum Bahnhof, Strichmuster der Pneus, breite Streifen der Elektrobusse, alles verdampft wieder in der Hitze. Gegen Ende, im Oktober, abends, als es früher dunkel wurde: Lichtgeysire, darin Scheinwerferlichter der wartenden Autos, Farben der Dämmerung. Kommen Sie nächstes Jahr wieder, ich hoffe, dass es weitergeht, die Anlage mit den drei Düsen bleibt über Winter installiert. Regardez: Lausanne, hier ist vieles sehr alt, zum Beispiel das Kopfsteinpflaster, mehr als hundert Jahre alt, rundgelaufen, diese feinen Zwischenräume zwischen den Steinen, kleine Schluchten, sie blieben nach jedem Schwall länger feucht, dunkler, während die Oberflächen der Steine schon getrocknet waren, ich beobachte die Tauben, sie leben auf dem Pflaster, vielleicht gehört jeder Taube einer dieser Steine, vielleicht auch umgekehrt.» Peter Weber in Hochparterre 12/19
«L'Eau et vous», Lausanne Jardins 2019
1. Preis, offener Wettbewerb, Lausanne, 2019
Gemeinsam mit USUS Landschaftsarchitektur und Barbara Marie Hofmann
Anerkennung im Rahmen der «Besten 2019» der Hochparterre in der Kategorie Landschaft
Photo Credit: Philip Heckhausen